Schweizer Darlehensgeber (Schweiz–Deutschland)


Ein Darlehen mit einem Schweizer Darlehensgeber wirkt auf den ersten Blick unkompliziert: Es wird ein Betrag ausgezahlt, später wird er zurückgezahlt, häufig in Schweizer Franken, oftmals über ein Schweizer Konto. In der Praxis entstehen die Streitpunkte jedoch regelmäßig nicht bei der Mathematik, sondern bei den grenzüberschreitenden „Weichenstellungen“: Welches Gericht ist zuständig, welches Recht ist anwendbar, wie wirksam ist eine Gerichtsstands- oder Rechtswahlklausel, und wie kann ein Anspruch anschließend tatsächlich vollstreckt werden. Maßgeblich sind hierbei vor allem das Lugano-Übereinkommen 2007 (LugÜ) für die internationale Zuständigkeit und Vollstreckung zwischen der EU und der Schweiz sowie die Kollisionsnormen (insbesondere Rom I in Deutschland/EU und das Schweizer IPRG in der Schweiz).

Typische Konstellationen bei Schweizer Darlehensgebern

In der Beratungspraxis treten insbesondere Konstellationen auf, in denen der Darlehensnehmer in Deutschland lebt oder arbeitet, der Darlehensgeber in der Schweiz sitzt, die Auszahlung über ein Schweizer Konto erfolgt und der Vertrag Standardklauseln enthält, die „Schweizer Recht“ und „Gerichtsstand Schweiz“ vorsehen. Streit entsteht dann häufig bei Kündigung, Fälligstellung, Zinsanpassung, Verzugsfolgen, Restschuldabrechnungen, Sicherheiten (Bürgschaft, Grundpfand, Sicherungsabtretung) oder bei der Frage, ob der Darlehensnehmer als Verbraucher besonderen Schutz genießt und dadurch Klauseln (teilweise) unwirksam oder jedenfalls prozessual wirkungslos werden.


1. Internationale Zuständigkeit: Wo darf geklagt werden?
1.1 Grundregel: Klage am Wohnsitz des Beklagten

Nach dem LugÜ gilt als Leitprinzip der Wohnsitzgerichtsstand: Wer verklagt wird, soll grundsätzlich an seinem Wohnsitz verklagt werden. Das erhöht die Vorhersehbarkeit und schützt vor „Forum Shopping“.

1.2 Besonderer Gerichtsstand „Erfüllungsort“ bei Verträgen

Neben dem Wohnsitzgerichtsstand kennt das LugÜ besondere Gerichtsstände, insbesondere für „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ am Erfüllungsort. Bei Darlehens- bzw. Kreditverträgen ist dabei entscheidend, wie die „vertragscharakteristische Leistung“ qualifiziert wird. Der Bundesgerichtshof hat die Vergabe von Bankkrediten als Dienstleistung eingeordnet und den maßgeblichen Erfüllungsort nach der LugÜ/Brüssel-Systematik an den Ort geknüpft, an dem die Dienstleistung typischerweise erbracht wird. Praktisch bedeutet das: Je nach Vertrags- und Abwicklungsgestaltung kann neben dem Wohnsitzgerichtsstand des Darlehensnehmers auch ein Gerichtsstand dort diskutiert werden, wo die Kreditgewährung/Abwicklung ihren Schwerpunkt hat.


1.3 Verbrauchersachen: „Follow your customer“ und starke Schutzwirkung

Wenn der Darlehensnehmer Verbraucher ist und der Darlehensgeber seine Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausrichtet, greifen die besonderen Verbraucherzuständigkeiten des LugÜ. Dann kann der Unternehmer den Verbraucher grundsätzlich nur an dessen Wohnsitz verklagen. Besonders wichtig ist hierbei die EuGH-Rechtsprechung zum LugÜ, wonach der Verbrauchergerichtsstand auch dann maßgeblich sein kann, wenn der Auslandsbezug erst nach Vertragsschluss entsteht, etwa durch einen späteren Umzug des Verbrauchers in die Schweiz („Follow your customer“).

Für die Ausrichtung der Tätigkeit („targeting“) sind die Leitentscheidungen des EuGH zur Brüssel/Lugano-Systematik in der Praxis weiterhin zentral, etwa „Pammer/Alpenhof“ zur Frage, wann eine Tätigkeit über eine Website auf einen Staat ausgerichtet ist, sowie „Mühlleitner“ und „Emrek“ zu Reichweite und Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstands.

1.4 Gerichtsstandsvereinbarungen: Möglich, aber häufig angreifbar

Gerichtsstandsvereinbarungen sind im internationalen Kontext grundsätzlich möglich, unterliegen aber strengen Form- und Inhaltsanforderungen nach LugÜ/Brüssel-Systematik. In der Praxis scheitern Klauseln nicht selten an der konkreten Einbeziehung oder an Formfragen. Der BGH hat hierzu betont, dass für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach LugÜ/EuGVVO je nach Konstellation Textform ausreichend sein kann und nicht zwingend jede Vertragsausfertigung von beiden Seiten unterschrieben sein muss, sofern die Formerfordernisse anderweitig gewahrt sind. Sobald jedoch Verbraucherschutzrecht eingreift, sind Gerichtsstandsvereinbarungen regelmäßig nur sehr eingeschränkt wirksam, weil der Verbrauchergerichtsstand nicht durch Standardklauseln „abbedungen“ werden soll.


2. Anwendbares Recht: Deutsches oder Schweizer Recht?
2.1 Verfahren in Deutschland: Rom I als Ausgangspunkt

Wird in Deutschland geklagt, richtet sich das anwendbare Vertragsrecht grundsätzlich nach der Rom-I-Verordnung. Bei Verbraucherverträgen ist Art. 6 Rom I besonders relevant: Eine Rechtswahl (z. B. „Schweizer Recht“) ist zwar möglich, darf den Verbraucher aber regelmäßig nicht um zwingende Schutzvorschriften seines gewöhnlichen Aufenthaltsstaats bringen, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet. Bei Unternehmerdarlehen (B2B) ist die Rechtswahl in der Regel deutlich „stabiler“, wobei immer zu prüfen ist, ob einzelne zwingende Normen (z. B. Eingriffsnormen) gleichwohl Anwendung beanspruchen.


2.2 Verfahren in der Schweiz: IPRG (Art. 116, 117) und Bundesgerichtspraxis

In der Schweiz bestimmt sich das anwendbare Vertragsrecht primär nach dem IPRG. Nach Art. 116 IPRG geht eine (klar erkennbare) Rechtswahl vor. Fehlt eine Rechtswahl, knüpft Art. 117 IPRG grundsätzlich an den Staat des engsten Zusammenhangs an, wobei vermutet wird, dass dieser beim Staat der Partei liegt, die die charakteristische Leistung erbringt. Für Darlehensverträge ist besonders praxisrelevant, dass das Schweizer Bundesgericht bei fehlender Rechtswahl in der Tendenz an den gewöhnlichen Aufenthalt bzw. die Niederlassung des Darleihers anknüpft, also häufig an Schweizer Recht, wenn der Darlehensgeber in der Schweiz sitzt.


3. „Erfüllungsort“ und Zahlung nach Schweiz: Ein häufiger Denkfehler
In Mandaten wird häufig angenommen, dass schon deshalb „Schweiz zuständig“ sei, weil die Rückzahlung auf ein Schweizer Konto erfolgen soll. Diese Verkürzung ist gefährlich. Nach deutschem Leistungsortrecht gilt: Wenn kein Leistungsort bestimmt ist, ist grundsätzlich der Wohnsitz des Schuldners maßgeblich (§ 269 BGB). Für Geldschulden ordnet § 270 BGB zwar an, dass Geld im Zweifel auf Gefahr und Kosten des Schuldners an den Gläubiger zu übermitteln ist. Gleichzeitig folgt daraus nicht automatisch, dass der (prozessuale) Erfüllungsort stets „bei der Bank in der Schweiz“ liegt. Gerade im grenzüberschreitenden Kontext ist deshalb sauber zu trennen zwischen der vertraglichen Vereinbarung (z. B. ausdrücklich bestimmter Erfüllungsort), den gesetzlichen Anknüpfungen und den eigenständigen Zuständigkeitsregeln des LugÜ. Für innerdeutsche Fragen kann zudem § 29 ZPO (Erfüllungsortgerichtsstand) eine Rolle spielen, wobei eine Erfüllungsortvereinbarung die Zuständigkeit nur unter bestimmten Voraussetzungen begründet.


4. Durchsetzung und Abwehr: Was nach der Zuständigkeits- und Rechtsfrage kommt
4.1 Anspruchsdurchsetzung (Darlehensgeber)

Wenn ein Schweizer Darlehensgeber Forderungen realisieren will, ist die strategische Reihenfolge entscheidend: Zunächst wird geprüft, ob Verbraucherzuständigkeit eine Klage in Deutschland „erzwingt“, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung trägt, und welches Sachrecht die Anspruchsvoraussetzungen (Kündigung, Fälligstellung, Zins, Gebühren, Verzug) bestimmt. Anschließend wird die Beweisbarkeit der Anspruchsgrundlagen über Vertragsdokumente, Auszahlungsnachweise, Kontoauszüge, Mahnungen und Kündigungsschreiben abgesichert, bevor der Titel erwirkt wird. Das LugÜ ist anschließend der Schlüssel für Anerkennung und Vollstreckung zwischen Deutschland und der Schweiz.

4.2 Anspruchsabwehr (Darlehensnehmer)

Auf Darlehensnehmerseite liegt der Schwerpunkt häufig auf der Abwehr über Zuständigkeitsrügen, der Einordnung als Verbraucher, der Unwirksamkeit oder Unanwendbarkeit von Gerichtsstands- und Rechtswahlklauseln sowie der materiell-rechtlichen Kontrolle von Kündigungs- und Zinspositionen. Gerade bei grenzüberschreitender Abwicklung sind außerdem Fehler in der Kommunikation und Zustellung prozessual riskant, weil Fristenlauf und Säumnisfolgen im Auslandskontext leicht unterschätzt werden.


5. Wie Hanke.Legal unterstützt

Hanke.Legal begleitet Mandanten mit Schweizer Darlehensgebern sowohl bei der außergerichtlichen Klärung als auch bei der gerichtlichen Durchsetzung oder Abwehr. Der Fokus liegt darauf, die grenzüberschreitenden Weichen (internationale Zuständigkeit, anwendbares Recht, Wirksamkeit von Klauseln) frühzeitig belastbar zu klären und danach das Verfahren so zu strukturieren, dass es nicht an formalen Hürden scheitert, sondern in einen verwertbaren Titel und eine realistische Vollstreckungsstrategie mündet.