Umsatzsteuer und Umsatzsteuer-Rückerstattung durch Verkäufer, Dienstleister oder Werkunternehmer
Umsatzsteuer ist im Alltag meist „eingepreist“. Gerade deshalb fallen Fehler oft erst spät auf, etwa weil ein falscher Steuersatz verwendet wurde, eine Steuerbefreiung übersehen wurde oder eine Rechnung die Umsatzsteuer ausweist, obwohl sie materiell-rechtlich gar nicht geschuldet ist. In solchen Konstellationen stellt sich regelmäßig die praktische Kernfrage: Wer zahlt das zu viel gezahlte Umsatzsteuer-„Plus“ zurück – und wie wird das rechtssicher durchgesetzt?
Hanke.Legal unterstützt Sie dabei, Verträge und Rechnungen rechtlich zu prüfen, die Rückerstattung gegenüber dem Vertragspartner (Verkäufer, Dienstleister, Werkunternehmer) strukturiert geltend zu machen und, falls erforderlich, gerichtlich durchzusetzen.
Umsatzsteuer bei Ausfuhr nach Schweiz (DE–CH)
1. Worum es geht
Wenn Waren oder (werkvertragliche) Leistungen aus Deutschland in die Schweiz ausgeführt werden, ist die deutsche Umsatzsteuer häufig nicht geschuldet, weil eine steuerfreie Ausfuhrlieferung vorliegen kann. Rechtsgrundlage ist insbesondere die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen nach § 4 Nr. 1a i. V. m. § 6 UStG. In der Praxis kommt es dennoch regelmäßig vor, dass der Verkäufer oder Werkunternehmer deutsche Umsatzsteuer berechnet und vereinnahmt, etwa weil (zunächst) kein ausreichender Ausfuhrnachweis vorliegt oder die Abwicklung (Abholfall/Spedition/Incoterms) unklar ist. Die zentrale Frage lautet dann: Wie bekommt der Käufer die gezahlte deutsche Umsatzsteuer vom Verkäufer/Werkunternehmer zurück?
2. Der Grundmechanismus: Steuerfreiheit „materiell“, Nachweis „formal“
Für die Steuerbefreiung genügt es nicht, dass die Ware tatsächlich in die Schweiz gelangt ist. Der Unternehmer muss die Ausfuhr nachweisen (Ausfuhrnachweis) und dokumentieren (Buchnachweis). Die Anforderungen ergeben sich aus der UStDV, u. a. aus den Regelungen zum Ausfuhrnachweis (z. B. Ausgangsvermerk/Alternativ-Ausgangsvermerk). Wichtig für die Praxis: Das Bundesministerium der Finanzen hat mit Schreiben vom 1. Juli 2025 die Nachweisführung für Ausfuhrlieferungen konkretisiert und insbesondere den UStAE angepasst. Das zielt darauf ab, die Steuerbefreiung praxisnäher zu handhaben und die Nachweise klarer zu strukturieren.
3. Typische Konstellationen, in denen die Umsatzsteuer „trotz Ausfuhr“ berechnet wird
(1) Abholfall in Deutschland (Käufer nimmt Ware mit und führt selbst aus).
Der Verkäufer hat die Ausfuhr nicht selbst in der Hand und berechnet vorsorglich Umsatzsteuer, bis ein belastbarer Ausfuhrnachweis vorliegt. Maßgeblich ist, ob die materiellen Voraussetzungen einer Ausfuhrlieferung erfüllt sind und ob der Nachweis anschließend geführt werden kann.
(2) Speditions-/Versendungsfall, aber Dokumentation ist lückenhaft.
Die Ware geht zwar in die Schweiz, doch Ausgangsvermerk/MRN oder Frachtpapiere werden nicht sauber zugeordnet oder nicht archiviert. Der Unternehmer bleibt dann bei der „sicheren“ Inlandbesteuerung.
(3) Werkunternehmer liefert ein Werk/Teil (Werklieferung) und exportiert anschließend.
Gerade bei Bau-/Umbau-/Fertigungsleistungen mit Materialanteil kommt es häufig zu Streit, ob eine (steuerfreie) Ausfuhrlieferung oder eine im Inland steuerbare Leistung vorliegt. Entscheidend sind Vertragsinhalt, Leistungsort und tatsächliche Warenbewegung.
4. Rückerstattung der gezahlten deutschen Umsatzsteuer: Vorgehen in der Praxis
Der Standardweg führt nicht über ein „Rückerstattungsverfahren“ bei einer Behörde, sondern über eine Rechnungsberichtigung und Rückzahlung durch den Verkäufer/Werkunternehmer. Je besser die Belege, desto höher die Bereitschaft des Unternehmers, die Rechnung zu korrigieren und die Steuerbefreiung nachträglich zu behandeln. Typischerweise sinnvoll sind:
- Vertrag/Bestellung mit Liefer-/Bestimmungsort Schweiz (inkl. Incoterms, wenn vorhanden),Rechnung mit ausgewiesener deutscher Umsatzsteuer,
- Transport-/Versanddokumente (CMR, Speditionsauftrag, Tracking, Lieferscheine),
- Ausfuhrnachweis (insbesondere Ausgangsvermerk/Alternativ-Ausgangsvermerk, MRN/ATLAS, soweit verfügbar),
- Einfuhr-/Verzollungsunterlagen Schweiz (als Indiz, dass die Ware tatsächlich ausgeführt wurde),
- Zahlungsnachweis (Überweisung/Beleg).
Rechtlich und praktisch ist der Kern:
- Korrektur der Rechnung (Nettoausweis/Steuerbefreiung als Ausfuhrlieferung, sofern Voraussetzungen vorliegen), gestützt auf § 4 Nr. 1a, § 6 UStG und die Nachweisregeln.
- Rückzahlung des Umsatzsteuerbetrags an den Käufer (wirtschaftliche Rückabwicklung der zu Unrecht vereinnahmten Steuer).
Gerade dann, wenn Umsatzsteuer in einer Rechnung ausgewiesen wurde, obwohl sie materiell nicht geschuldet ist, spielt § 14c UStG eine erhebliche Rolle: Eine Berichtigung setzt nach der BFH-Rechtsprechung regelmäßig voraus, dass der zu Unrecht ausgewiesene Steuerbetrag an den Rechnungsempfänger zurückgezahlt wird. Wenn der Verkäufer/Werkunternehmer trotz belastbarer Nachweise nicht korrigiert und nicht erstattet, ist häufig eine zivilrechtliche Anspruchsdurchsetzung der richtige Hebel (Rückzahlung des zu Unrecht vereinnahmten Steueranteils; je nach Vertragsgestaltung aus Leistungsstörungsrecht/ungerechtfertigter Bereicherung). Parallel kann es taktisch sinnvoll sein, die Nachweisführung so aufzubereiten, dass der Unternehmer sein eigenes steuerliches Risiko realistisch bewertet und die Korrektur wirtschaftlich „vertretbar“ wird.
5. Wann eine Erstattung typischerweise nicht durchsetzbar ist
Eine Rückerstattung ist nicht „automatisch“ schon deshalb geschuldet, weil etwas in die Schweiz gegangen ist. Häufige Ausschlussgründe sind keine Ausfuhrlieferung (Ware verbleibt tatsächlich in Deutschland/EU oder Ausfuhr ist nicht nachweisbar), die Leistung ist als sonstige Leistung in Deutschland steuerbar, z. B. bei bestimmten ortsgebundenen Leistungen (insbesondere im Zusammenhang mit in Deutschland belegenen Immobilien); dann hilft der „Schweiz-Bezug“ allein nicht.