Revision im Strafrecht


Die Revision ist das Rechtsmittel, mit dem ein strafgerichtliches Urteil nicht noch einmal „neu verhandelt“, sondern auf Rechtsfehler überprüft wird. Anders als die Berufung eröffnet die Revision grundsätzlich keine zweite Tatsacheninstanz, sondern konzentriert sich darauf, ob das Tatgericht materielles Recht und Verfahrensrecht korrekt angewandt hat. Gesetzlich ist die Revision im Kern in den §§ 333 ff. StPO geregelt. Gerade weil es in der Revision um rechtliche Präzision geht, entscheidet in der Praxis häufig nicht „ob ein Fehler existiert“, sondern ob er revisionsrechtlich angreifbar und formwirksam gerügt ist. Das macht eine frühzeitige, strategische Verteidigung bereits im ersten Rechtszug besonders wichtig.


1. Wann ist die Revision zulässig?

Die Revision ist insbesondere gegen erstinstanzliche Urteile der Strafkammern und Schwurgerichte sowie gegen erstinstanzliche Urteile der Oberlandesgerichte zulässig. In der Praxis betrifft dies häufig Verfahren vor dem Landgericht (auch Schwurgericht), in denen die Überprüfung typischerweise beim Bundesgerichtshof stattfindet. Jedoch auch gegen amtsgerichtliche Urteile ist die Revision möglich.

2. Fristen und Form: Die Revision ist streng formalisiert

Die Revision muss grundsätzlich binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils eingelegt werden. Die Revisionsanträge und die Begründung müssen spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Einlegungsfrist angebracht werden. Besonders wichtig ist, dass die Revisionsbegründung „seitens des Angeklagten“ nur wirksam ist, wenn sie von einem Verteidiger oder Rechtsanwalt unterzeichnet ist oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt wird. Für die Verteidigungspraxis bedeutet das: Wer die Fristen und Formanforderungen nicht sauber beherrscht, verliert das Rechtsmittel häufig bereits, bevor es überhaupt inhaltlich geprüft wird.

3. Was prüft das Revisionsgericht – und was nicht?

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, also dass eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Das ist der zentrale Unterschied zur Berufung: Das Revisionsgericht ist typischerweise nicht „zweiter Tatrichter“, sondern prüft, ob die rechtlichen Maßstäbe eingehalten wurden.

Viele Rechtsfehler sind „relative“ Revisionsgründe und verlangen zusätzlich, dass das Urteil auf dem Fehler beruht. Daneben gibt es absolute Revisionsgründe, bei denen das Gesetz die Beruhensprüfung typischerweise ersetzt, etwa bei bestimmten schwerwiegenden Verfahrensfehlern.


4. Sachrüge und Verfahrensrüge: Der Dreh- und Angelpunkt der Revision

Revisionsangriffe laufen in der Praxis typischerweise über zwei Schienen: über die Sachrüge (materielles Recht) und über die Verfahrensrüge (Verfahrensrecht). § 344 StPO verlangt, dass aus der Begründung hervorgeht, ob Verfahrensrecht oder anderes Recht verletzt sein soll; bei Verfahrensrügen müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Gerade hier scheitern viele Revisionen: Nicht weil der Vorwurf „inhaltlich falsch“ wäre, sondern weil die Rüge nicht in der gesetzlich geforderten Weise vollständig vorgetragen wird.

5. Aktuelle Rechtsprechung: Hohe Hürden bei Verfahrensrügen und Wiedereinsetzung

Der Bundesgerichtshof betont in aktuellen Entscheidungen immer wieder, dass Verfahrensrügen den strengen Darlegungserfordernissen entsprechen müssen, andernfalls sind sie unzulässig. Dies wird regelmäßig unter Hinweis auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entschieden. Besonders praxisrelevant ist zudem, dass eine „Reparatur“ unzureichender Verfahrensrügen über Wiedereinsetzung regelmäßig nicht funktioniert. Der BGH hat ausdrücklich entschieden, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung zur Heilung der Mängel einer nicht den Anforderungen genügenden Verfahrensrüge als unzulässig verworfen werden kann.

Für Mandanten bedeutet das: Eine Revision muss von Beginn an so vorbereitet werden, dass sie form- und fristgerecht sowie „rügefest“ begründet werden kann; nachträgliche Korrekturen sind häufig nicht mehr möglich.


6. Entscheidung ohne Hauptverhandlung: Verwerfung nach § 349 StPO

In der Revisionspraxis ist es häufig, dass das Revisionsgericht ohne eigene Hauptverhandlung durch Beschluss entscheidet. § 349 Abs. 2 StPO erlaubt eine Verwerfung als „offensichtlich unbegründet“, wenn ein begründeter Antrag der Staatsanwaltschaft vorliegt und das Gericht einstimmig ist; zudem ist dem Beschwerdeführer der Antrag mitzuteilen, und es besteht die Möglichkeit einer schriftlichen Gegenerklärung binnen zwei Wochen. Das zeigt zugleich, warum die schriftliche Revisionsbegründung in der Praxis so entscheidend ist: Sehr oft ist sie faktisch der zentrale „Kampfplatz“ des gesamten Rechtsmittels.

7. Was passiert, wenn die Revision Erfolg hat?

Wenn das Revisionsgericht einen durchgreifenden Rechtsfehler feststellt, kann es – je nach Konstellation – selbst entscheiden oder die Sache zurückverweisen. § 354 StPO regelt die eigene Sachentscheidung sowie die Zurückverweisung in den gesetzlich vorgesehenen Fällen. In der Praxis bedeutet das häufig: Aufhebung des Urteils und neue Verhandlung vor einer anderen Strafkammer oder einem anderen Spruchkörper, wenn weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind.


8. Verfassungsrechtlicher Rahmen: Revision als Einfallstor für Fair-Trial- und Bestimmtheitsfragen

Die neuere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zeigt deutlich, dass revisionsgerichtliche Entscheidungen nicht „im luftleeren Raum“ stehen, sondern an Grundrechten und rechtsstaatlichen Mindeststandards zu messen sind. So hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24. August 2025 (2 BvR 64/25) entschieden, dass die Ablehnung einer audiovisuellen Vernehmung eines im Ausland befindlichen, aussagebereiten Entlastungszeugen das Recht auf ein faires Verfahren verletzen kann, wenn das Tatgericht bei einem äußerst schwerwiegenden Tatvorwurf maßgeblich damit argumentiert, es könne sich keinen ausreichenden Eindruck vom Aussageverhalten verschaffen, obwohl der Zeuge zuvor überhaupt noch nicht vernommen worden war; das BVerfG hat zudem ausdrücklich ausgeführt, dass die revisionsgerichtliche Entscheidung den Verfassungsverstoß „perpetuiert“ haben kann.

Ebenfalls instruktiv ist der stattgebende Kammerbeschluss vom 09. April 2025 (2 BvR 1974/22), in dem das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG angenommen und in diesem Zusammenhang auch den BGH-Beschluss aufgehoben hat. Für die Revisionsstrategie heißt das: Materiell-rechtliche Angriffe (Sachrüge) können insbesondere dann erhebliches Gewicht gewinnen, wenn sie Grundsatzfragen der Bestimmtheit, der zulässigen Auslegung und des Analogieverbots berühren.


Wie wir im Revisionsverfahren vorgehen

Wir prüfen unmittelbar nach dem Urteil, ob eine Revision statthaft ist und welche Revisionsrichtung sachgerecht ist, also ob der Schwerpunkt auf materiell-rechtlichen Fehlern oder auf verfahrensrechtlichen Fehlern liegt. Wir legen dabei besonderen Wert darauf, dass die Revisionsbegründung die gesetzlichen Mindestanforderungen vollständig erfüllt, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung Verfahrensrügen bei unzureichender Darlegung konsequent als unzulässig behandelt.

Als Kanzlei in Singen, in Grenznähe zur Schweiz, berücksichtigen wir in geeigneten Fällen auch praktische Konstellationen mit Auslandsbezug, etwa wenn Zeugen im Ausland erreichbar sind und die Frage der effektiven Beweisführung – auch durch audiovisuelle Vernehmung – revisions- und verfassungsrechtlich relevant werden kann.