Werkvertragsrecht – Beratung, Gestaltung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche



1. Worum geht es im Werkvertragsrecht?
Das Werkvertragsrecht regelt Verträge, bei denen nicht „Tätigkeit an sich“, sondern ein konkreter Erfolg geschuldet wird, also ein herzustellendes Werk, das am Ende funktionieren und mangelfrei sein muss. Der Werkvertrag ist im Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 631 ff. BGB geregelt. Typische Werkverträge entstehen etwa bei Bau- und Handwerkerleistungen, Renovierungen, Sanierungen, Reparaturen, Garten- und Außenanlagen, Kfz-Reparaturen, Einbauleistungen, Fertigungen nach Maß sowie bei vielen technischen Dienstleistungen, bei denen ein überprüfbares Ergebnis vereinbart ist.


In der Praxis entstehen Streitigkeiten selten „aus dem Nichts“. Sehr häufig beginnen sie mit einer unklaren Leistungsbeschreibung, einem Terminproblem, einem Nachtragsstreit, einer nicht sauber dokumentierten Abnahme oder mit Mängeln, bei denen die Parteien unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was „vertragsgemäß“ ist und wie eine Mangelbeseitigung wirtschaftlich und technisch korrekt zu erfolgen hat.

2. Bauvertrag, Verbraucherbauvertrag und die rechtlichen „Sonderregeln“
Sobald es um ein Bauwerk, eine Außenanlage oder wesentliche Umbauten geht, kommen neben den allgemeinen Regeln des Werkvertragsrechts besondere Vorschriften zum Bauvertrag hinzu. Ein Bauvertrag ist in § 650a BGB legal definiert. Wenn ein Verbraucher einen Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen verpflichtet, kann zusätzlich ein Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i BGB vorliegen, der unter anderem Textform verlangt und besondere Schutzmechanismen enthält. Bei Verbraucherbauverträgen besteht zudem ein Widerrufsrecht nach § 650l BGB, das in der Beratungspraxis häufig übersehen wird und bei falscher oder fehlender Belehrung erhebliches Konfliktpotenzial birgt.

Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung hat gerade im Verbraucherbauvertragsrecht wichtige Leitplanken gesetzt. Der Bundesgerichtshof hat in einer Grundsatzentscheidung klargestellt, dass bei der Vergabe einzelner Gewerke an einzelne Unternehmer regelmäßig kein Verbraucherbauvertrag allein dadurch entsteht, dass der Bauherr insgesamt ein Neubauvorhaben realisiert. Entscheidend ist, ob der jeweilige Unternehmervertrag den Bau eines neuen Gebäudes oder erhebliche Umbaumaßnahmen als Gesamterfolg zum Inhalt hat; die bloße Einordnung als „Teil eines Neubaus“ reicht bei Einzelgewerken nicht aus. Zugleich hat der Bundesgerichtshof betont, dass bei der Einordnung als Verbraucherbauvertrag nicht schematisch auf die Gesamtheit sukzessiver Einzelaufträge abzustellen ist, sondern auf die rechtliche Struktur des konkreten Vertrags. Diese Abgrenzung ist in der Praxis besonders wichtig, weil hiervon Formanforderungen, Informationspflichten, Widerruf und damit die gesamte Durchsetzbarkeit oder Abwehr von Ansprüchen beeinflusst werden können.

3. Abnahme als Dreh- und Angelpunkt: Rechte, Risiken und Beweisfragen
Die Abnahme ist im Werkvertragsrecht ein zentraler Meilenstein, weil mit ihr häufig die Fälligkeit der Vergütung, der Beginn der Verjährung von Mängelrechten und eine Verschiebung von Beweislastfragen zusammenhängen. § 640 BGB regelt die Abnahme und enthält seit der Reform auch eine Abnahmefiktion unter bestimmten Voraussetzungen. In der Praxis ist entscheidend, dass Abnahmen sauber vorbereitet und dokumentiert werden. Auftraggeber sollten Mängel konkret benennen und Vorbehalte nachvollziehbar erklären. Unternehmer sollten darauf achten, dass Abnahmeaufforderungen rechtlich korrekt formuliert sind und dass der Zustand des Werks beweissicher festgehalten wird. Gerade bei Bau- und Ausbauleistungen entscheidet die Qualität der Dokumentation sehr häufig darüber, ob ein späterer Prozess gewonnen oder verloren wird.

4. Mängelrechte des Bestellers: Nacherfüllung, Selbstvornahme, Minderung, Schadensersatz
Wenn ein Werk mangelhaft ist, stehen dem Besteller die Rechte aus § 634 BGB zu. Dazu gehören insbesondere der Anspruch auf Nacherfüllung, das Recht zur Selbstvornahme mit Aufwendungsersatz, Rücktritt oder Minderung sowie Schadensersatzansprüche. Der Mangelbegriff richtet sich nach § 633 BGB. Ein besonders praxisrelevantes Instrument ist der Kostenvorschuss für eine Selbstvornahme nach § 637 Abs. 3 BGB, der dem Besteller ermöglichen kann, Mängel selbst beseitigen zu lassen, ohne zunächst in Vorleistung gehen zu müssen.

4.1 Ende der „fiktiven Mängelbeseitigungskosten“ im Schadensersatz
Die Rechtsprechung hat die Mängelabrechnung in den letzten Jahren spürbar verändert. Der Bundesgerichtshof hat 2018 seine frühere Linie zur Geltendmachung fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Schadensersatz aufgegeben. Maßgeblich ist seitdem stärker die konkrete Vermögenslage des Bestellers und die Frage, ob und in welcher Weise tatsächlich Mängel beseitigt werden oder welcher Minderwert verbleibt (BGH, Urt. v. 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17). Für die Praxis bedeutet das, dass Anspruchsstrategien frühzeitig sauber gewählt werden müssen, weil sich je nach Anspruchsgrundlage und Zielrichtung die Darlegungs- und Beweisführung erheblich unterscheiden kann.

4.2 Minderung schließt Kostenvorschuss nicht zwingend aus
Ein weiterer, sehr praxisrelevanter Punkt ist die Kombination von Minderung und späterer Mangelbeseitigung. Der Bundesgerichtshof hat 2024 entschieden, dass eine Minderung der Vergütung den Anspruch auf Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB wegen desselben Mangels nicht automatisch ausschließt (BGH, Urt. v. 22. August 2024 – VII ZR 68/22). Das ist für Auftraggeber wichtig, weil es Handlungsspielräume eröffnet, wenn eine einvernehmliche Mängelbeseitigung scheitert und man dennoch wirtschaftlich sinnvoll zur Mangelbeseitigung kommen muss. Für Unternehmer ist die Entscheidung ein klarer Hinweis, dass eine einmal erklärte Minderung nicht zwingend „Ruhe“ bringt, sondern eine nachfolgende Inanspruchnahme über Selbstvornahme/Kostenvorschuss möglich bleiben kann.

4.3 Vorteilsausgleichung „neu für alt“ bei Mangelbeseitigung
Aktuell hat der Bundesgerichtshof 2025 außerdem zu Fragen der Vorteilsausgleichung („Abzug neu für alt“) bei Mangelbeseitigung Stellung genommen, was insbesondere bei langlebigen Anlagen und Bauwerken praktisch bedeutsam ist (BGH, Urt. v. 27. November 2025 – VII ZR 112/24). Hier zeigt sich erneut, dass die wirtschaftliche Bewertung von Mängeln und deren Beseitigung nicht schematisch erfolgen darf, sondern sauber am Einzelfall und der tatsächlichen Vermögenslage ausgerichtet werden muss.

5. Kündigung im Werkvertrag: freie Kündigung und Kündigung aus wichtigem Grund
Werkverträge können eskalieren, wenn Termine reißen, Nachträge streitig sind oder Vertrauen nachhaltig zerstört ist. Das Gesetz unterscheidet dabei insbesondere zwischen der freien Kündigung des Bestellers nach § 648 BGB und der Kündigung aus wichtigem Grund nach § 648a BGB. Bei der freien Kündigung bleibt der Vergütungsanspruch des Unternehmers grundsätzlich bestehen, allerdings muss er sich ersparte Aufwendungen anrechnen lassen; das Gesetz enthält hierzu eine Vermutungsregel, die in der Praxis regelmäßig Streit über Kalkulation, Nachunternehmerkosten, Baustellengemeinkosten und Gewinnanteile auslöst. Bei der Kündigung aus wichtigem Grund ist der Vergütungsanspruch typischerweise auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil begrenzt, was die Abrechnung und die technische Abgrenzung des Leistungsstands besonders beweisintensiv macht. Gerade bei Kündigungen ist erfahrungsgemäß entscheidend, dass vorab taktisch richtig dokumentiert wird, welche Pflichtverletzungen vorliegen, welche Fristen gesetzt wurden, wie der Leistungsstand ist und welche Mängel oder Behinderungen geltend gemacht werden. Fehler in diesem Stadium sind später nur schwer zu reparieren.

6. VOB/B im Werkvertragsrecht: Wirksamkeit, Einbeziehung und AGB-Kontrolle
Im Bau- und Ausbauumfeld wird häufig mit der VOB/B gearbeitet. Die VOB/B ist jedoch nicht automatisch Vertragsbestandteil. Ob und wie sie wirksam einbezogen wurde, ist einer der häufigsten Streitpunkte in Bau- und Handwerkerprozessen. Der Bundesgerichtshof verlangt gegenüber Vertragsparteien, die im Baurecht nicht bewandert sind, grundsätzlich, dass der Verwender die zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme des vollständigen Textes eröffnet; ein bloßer Hinweis genügt in solchen Fällen typischerweise nicht (BGH, Urt. v. 10. Juni 1999 – VII ZR 170/98).

Zudem gilt: Schon Abweichungen von der VOB/B können dazu führen, dass sie nicht „als Ganzes“ vereinbart ist, was erhebliche Folgen für die AGB-rechtliche Kontrolle einzelner Klauseln haben kann (BGH, Urt. v. 10. Mai 2007 – VII ZR 226/05). Und im Verbrauchervertrag unterliegen die Klauseln der VOB/B nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann einer Inhaltskontrolle, wenn die VOB/B insgesamt vereinbart wurde (BGH, Urt. v. 24. Juli 2008 – VII ZR 55/07). Für die Praxis bedeutet das: Wer „VOB/B“ in den Vertrag schreibt, hat damit noch keinen rechtssicheren Bauvertrag geschaffen. Entscheidend ist die konkrete Vertragsgestaltung, die Einbeziehungssituation und die AGB-rechtliche Wirksamkeit im Einzelfall.

7. Werkvertrag mit Schweiz-Bezug: Grenznahe Beratung aus Singen
Durch die Lage in Singen nahe der Schweizer Grenze treten in Werkvertrags- und Bauvertragsfällen in unserer Kanzlei regelmäßig grenzüberschreitende Konstellationen auf, etwa bei Schweizer Auftraggebern, Schweizer Unternehmern, Baustellen in der Schweiz oder Leistungs- und Zahlungsströmen über die Grenze. In solchen Fällen klären wir strukturiert, welches Gericht international zuständig ist und welches materielle Recht auf den Vertrag und mögliche deliktische Begleitansprüche anwendbar ist, weil hiervon die gesamte Anspruchsdurchsetzung, Beweisführung und Kosten-/Risikoarchitektur abhängen kann.

8. Wie wir im Werkvertragsrecht typischerweise vorgehen
Wir beginnen in Werkvertragsmandaten regelmäßig mit einer belastbaren Bestandsaufnahme. Dazu gehören die Prüfung des Vertragswerks und der Einbeziehung von Anlagen, die technische Einordnung des Leistungs- und Mangelbilds, die Auswertung der Kommunikation und der Dokumentation, die verjährungsfeste Bewertung sowie eine prozess- und vollstreckungsorientierte Strategie, die nicht nur „juristisch richtig“, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sein muss. Je nach Lage vertreten wir Auftraggeber, die ihre Mängelrechte durchsetzen oder Vergütung zurückhalten müssen, ebenso wie Unternehmer, die Vergütung realisieren, unberechtigte Mängelrügen abwehren oder Nachtrags- und Kündigungsfolgen sauber abrechnen wollen.